Projektbeschreibung

Zahllose Geschichten über den Tod und die Zerstörung sind das Vermächtnis des Zweiten Weltkrieges. Die unvorstellbare Verfolgung der Juden wurde schmerzhaft und notwendigerweise in das Bewußtsein der Öffentlichkeit eingeprägt. Dennoch gibt es viele Geschichten der Flucht und des Überlebens, die stillschweigend dem öffentlichen Auge entschwunden sind. Wohin sind die Juden, die den Nazis gerade noch entkommen konnten, geflüchtet und wie ist es ihnen dabei ergangen?

„… es gibt einen Ort auf der Welt, wohin man ohne Papiere, ohne Erlaubnis, ohne eidesstattliche Erklärung, ohne Einreisegenehmigung oder Visa gehen kann. Du fährst einfach hin, das ist Shanghai.“
– Fred Fields, Flüchtling

Vom Handel profitierend, war Shanghai in den 1920er Jahren eine boomende Stadt geworden, die sich seit dem 19. Jahrhundert in einen exotischen kolonialen Außenposten, hauptsächlich Frankreichs und Großbritanniens, gewandelt hatte. In der Internationalen Niederlassung und der Französischen Konzession war es Ausländern möglich, nach den Gestzen ihrer Heimatländer zu handeln und zu leben und die Stadt wurde ein vielfältiges internationales Territorium ohne Einwanderungs-beschränkungen. Die Skyline am Hafen, bekannt als „Der Bund“, konnte sich mit New York ebenso messen wie das glamouröse Nachtleben. Dies konnte jedoch nicht verbergen, daß Shanghai zur gleichen Zeit eine Stadt extremer Kontraste war – von ausländischen Tycoonen und internationalen Geschäften auf der einen Seite, von Rickscha-Kulis und Gewalt und Verbrechen auf der anderen Seite. Auch wenn viele Chinesen vom Wirtschaftsleben profitierten, waren sie doch vom gesellschaftlichen Leben in den ausländischen Konzessionen, wo es in den öffentlichen Parks zum Beispiel Verbotsschilder für Hunde und Chinesen gab, ausgeschlossen.
Japan, das eine eigene Konzession besaß, startete von dort aus seine militärischen Angriffe gegen China in den Jahren 1927 bis 1932 und installierte 1937 schließlich eine Marionettenregierung. Zu der Zeit, in der der Zustrom jüdischer Flüchtlinge immer größer wurde, war die Stadt bereits im Untergang begriffen, vor allem nachdem Tausende verarmter chinesischer Flüchtlinge nach dem Chinesisch-Japanischen Krieg in die Stadt drängten und Armut und Krankheiten verbreiteten. Als die jüdischen Flüchtlinge darum kämpften sich in einer starken Gemeinschaft zu organisieren, stand Shanghai unter japanischer Belagerung. Die Japaner bestimmten schließlich das Geschick der Flüchtlinge und gewannen 1941 die Kontrolle über die ausländischen Konzessionen der Stadt, ausgehend von den Kriegsgeschehnissen, die sich in den Pazifik ausgedehnt hatten. Die jüdischen Bewohner wurden in ein Ghetto eingewiesen, wo sie den Krieg unter vielen Entbehrungen und in großer Unsicherheit verbringen mußten.
Gespräche mit Überlebenden und Briefe von Flüchtlingen, Annie Witting aus Berlin und Adolf Josef Storfer aus Wien, geben ein lebhaftes Bild der Lebensbedingungen in „Little Vienna“, einem Flüchtlingsstadtteil im Bezirk Hongkew mit Läden, Cafés, Nachtclubs und eigenen Zeitungen. Unter der japanischen Führung des Ghettos verbreiteten sich rasch Krankheit und Hunger. Mitte des Jahres 1943 berichtete das Rote Kreuz von Tausenden von Flüchtlingen, die am Rande des Hungertodes stehen. Im Juli 1945 fielen amerikanische Bomben auf das Ghetto, da dort japanische Kriegs-einrichtungen und Munition vermutet wurden. Bei diesen Angriffen starben viele Flüchtlinge und Chinesen. Nach der Befreiung von den Japanern, entschieden sich die meisten Immigranten dazu, Shanghai zu verlassen und für immer nach Amerika, Australien und Israel zu gehen.

„Shanghai war eine Fälschung, ein Schwindel, weder Okzident noch Orient. Und doch – Gott vergebe mir – sie war die aufregendste und einzigartigste Stadt der Welt. Sie war wie Gift, und die alten Shanghailänder Süchtige, die sich von ihrer Liebe zu ihr nie befreien konnten.“
– Max Berges, Flüchtling

„Mai 1947. Meine lieben Freunde – alle! Ist das alles nur ein Traum oder tatsächlich Wirklichkeit? Wir sind bereits vier Tage unterwegs auf hoher See, entfernen uns immer mehr von China mit Kurs auf unsere neue Heimat Australien. Rings um uns ist unendliches Meer. Fliegende Fische sind zu sehen und ab und zu auch Haifische. Das Meer ist stahlblau, die Wellenköpfe glitzern wie Brillianten. Man kommt sich wieder als Mensch vor und nicht mehr wie ein Flüchtling.“
Ihre Annie Witting

ZUFLUCHT IN SHANGHAI ist eine beeindruckende Dokumentation, die nach Jahren der Recherche dieses bemerkenswerte Kapitel Emigrationsgeschichte beleuchtet. Die Filmmusik stammt von John Zorn.