Ernst Trost, „Neue Kronen-Zeitung“ vom 26.01.2006

Von den galizischen Ölfeldern las ich zum ersten Mal in Musils…

   Von den galizischen Ölfeldern las ich zum ersten Mal in Musils „Mann ohne Eigenschaften“. Aber bei meiner Suche nach dem, was vom Doppeladler blieb, habe ich es leider nie bis nach Stanislau, dem ukrainischen Ivano Frankivsk, geschafft. Nun erlebte ich diese einstige „schwarze Hölle“ im Kino, durch Paul Rosdys „Neue Welt“, einen sensiblen Dokumentarfilm, der in der alten Welt der Donaumonarchie das Neue sucht, und doch immer die Erinnerung an den untergegangenen Vielvölkerstaat mitschwingen lässt.

   Der Muezzin von Mostar, rumänische Waldarbeiter im winterlichen Siebenbürgen mit ihren rauen Liedern, das Fest der Seemannsbruderschaft in Kotor, Zigeunermusiker irgendwo in der Puszta, die Studenten der Stanislauer Ölfachschule, von der Historie belasteter Alltag in Sarajewo, der Alte in Czernowitz, der noch Joseph Schmidt gekannt hat und mit zittriger Stimme dessen Schlager „Wenn du jung bist, gehört dir die Welt“ singt, dazu als Kontrapunkt das harte Leben der Busfahrerin in der von k. u. k. Mythen erfüllten Bukowina-Hauptstadt.

   Gesichter, Geschichten, böse und gute Geschichte, Gesänge, ein Gewirr von Sprachen: Deutsch, Rumänisch, Serbisch, Englisch, Ungarisch, Ukrainisch, Russisch. Zwischen die neuen Wirklichkeiten sind rare Archivfilme von damals geschnitten. Diese wundersame mitteleuropäische Wanderung gemahnt uns heute, da so viele vor jeglicher EU-Erweiterung bangen, wie nah uns dieser weite Raum doch ist und wie sehr er zu uns gehört . . .

   Neue alte Welt